Sunday, December 24, 2006

Die letzten Tage

Fünf Monate in Indien. Man gewöhnt sich an das Chaos hier, gewinnt verschiedene Dinge lieb. Einige meiner Mitbewohner sind mir richtig ans Herz gewachsen in der Zeit. Die Firma wird mir auch fehlen. Die Arbeit hat Spaß gemacht und meine Teamkollegen sind echt klasse. Ein Team und eine Firma sind in Indien wirklich so etwas wie eine Familie. Meine Kollegen haben mich immer auf alle erdenkliche Weise unterstützt. Viele von ihnen haben für lange Zeit in den USA gearbeitet und leisten eine hervorragende Arbeit. Ich habe das Angebot auf eine Stelle als leitender Entwickler bekommen. Die Bezahlung ist allerdings nur auf indischem Niveau. Das Ganze rechnet sich also nicht. In den Niederlassungen in Deutschland und den USA werden zur Zeit keine neuen Entwickler mehr eingestellt. Unter diesen Bedingungen trennen sich die Wege von mir und MSC.Software vorerst.

Während ich diesen Eintrag schreibe bin ich bereits wieder in Deutschland. Mein Gepäck hat inzwischen auch mit leichter Verspätung den Weg nach Hause gefunden. Ich genieße die Ruhe und die saubere Luft, muss viel daran denken, dass ich vor wenigen Tagen noch in einer ganz anderen Welt gelebt habe. Eine Welt, die kaum unterschiedlicher als Deutschland sein könnte. Und doch ist sie ein Teil von mir geworden. Ein Bekannter in Pune sagte kürzlich: "Als Europäer hat man nur zwei Alternativen, um mit Indien klarzukommen, entweder man wird verrückt oder man wird gelassener." Verrückt bin ich nicht geworden. Dafür um einiges reicher an Erfahrung und an guten Freunden aus der ganzen Welt. Ich freu mich jetzt schon darauf, sie irgendwann wiederzusehen und über die verrückte Zeit in Indien zu plaudern.

Draußen sind 20°C - aber ein Weihnachtsbaum muss sein

Tuesday, December 12, 2006

Alltag

Die letzten Wochen ist hier Alltag eingekehrt. Um sieben aufstehen, um acht mit der Ricksha zur Bushaltestelle. 9:15 im Büro - Meetings abhalten, Seminare geben, Proposal schreiben, neue Praktikanten anwerben und interviewen, neue Produkt-Features diskutieren, Präsentationen beiwohnen und zwischendrin mal ein wenig programmieren. Das ganze meistens bis acht oder neun jeden Tag. Dann wieder 1 1/4 Stunde zurück. Abendbrot bestellen oder Essen gehen, mit meinen Mitbewohnern plaudern, noch ein wenig Kleinkram erledigen und dann wieder ins Bett. An den Wochenenden ist dann meist ausschalfen und entspannen und die eine oder andere Abschiedsparty angesagt.

Heute morgen hatte ich mich entschieden, etwas länger zu schlafen und mit Marc mit dem Firmentaxi ins Büro zu fahren. Marc arbeitet im technischen Support für Europa. Er fängt daher erst Mittags mit arbeiten an und bleibt dafür bis spät in die Nacht. Da es um diese Zeit keine Firmenbusse gibt, wird er von einem Firmentaxi abgeholt. Auf dem Weg ins Büro wurden wir Opfer einer Reifenpanne. Nun sollte man meinen unser Taxi hat ein Ersatzrad. Hatte es auch... Das wurde allerdings seit der letzten Reifenpanne nicht erneuert. Unser Fahrer hat dann jedoch trotzdem erstmal brav das eine kaputte Rad gegen das andere kaputte gewechselt, um dann 200 Meter weiter festzustellen, dass dieses auch keine Luft hat. Es hat also heute etwas länger gedauert, bis wir im Büro waren. Erlebnisse wie diese sind in Indien leider kein Einzelfall. Auf der anderen Seite macht sich auch niemand heiß deswegen. Ich inzwischen auch nicht mehr.

Neulich fragte mich einer meiner Kollegen, wie ich den Winter hier in Indien empfinde... Kann nur sagen, dass ich vor ein paar Tagen erst wieder draußen im Pool schwimmen war. Nachts sollte man dann aber doch schon eine dünne Jacke bei sich haben.

Bis dahin, Rick

Thursday, November 16, 2006

Agra und das Taj Mahal

Das letztes Ziel unsere Reise führte uns in den Bundesstaat Uttar Pradesh nach Agra. Im 16. Jahrhundert war Agra die Hauptstadt der muslimischen Herrschaft über ganz Indien. Aus dieser Zeit stammt die gewaltige Festung. (Wie immer können alle Bilder zur Großansicht angeklickt werden)

Die Festung von Agra

In der Festung

Hauptattraktion von Agra ist jedoch zweifelsohne das Taj Mahal. Entgegen der vorherrschenden Meinung, das Taj wäre eine Moschee, handelt es sich bei diesem Bauwerk um das Mausoleum der Lieblingsfrau des Moguls Shah Jahan. Arjumand Bann Begum starb kurz nach der Geburt ihres 14. Kindes. Das Gebäude besteht vollständig aus Marmor und zur Fertigstellung benötigte es 20 Jahre und 20.000 Arbeiter. Shah Jahan wurde nach seinem Tode ebenfalls im Taj Mahal beigelegt. Ursprünglich war ein gleicher Bau vollständig in Schwarz auf der anderen Seite des Flusses als seine Grabstätte angedacht. Dieser dekadente Plan wurde jedoch von seinem Sohn, der später die Macht übernahm, verworfen.

Das Taj Mahal zur Mittagszeit

Zum Taj Mahal gibt es dann jedoch nicht wirklich viel zu sagen, man muss es einfach gesehen haben - beeindruckend. Die Faszination wird dann jedoch doch stark gedämpft von dem Eintrittspreis und den Massen an Touristen. 750 Rs kostet es einen Ausländer, das Taj Mahal zu sehen, das sind ca. 13 Euro. Inder zahlen dagegen nicht mal einen Euro. Diese Ungerechtigkeit ist in Indien allerdings üblich und führt besonders bei Ausländern, die hier im Land arbeiten, zu großem Unverständnis. Die Sicherheitsmaßnahmen stellen ebenfalls ein echtes Ärgernis dar. Man darf so gut wie nichts mit in das Gelände nehmen - kein Gepäck, keine Zigaretten, kein Feuerzeug, keine Mobiltelefone und keine anderen elektronischen Geräte. Nur Fotoapparate sind erlaubt. Die ganzen nicht erlaubten Dinge kann man gegen zusätzliche Bezahlung an einem alles andere als Vertrauen erweckenden Stand abgeben. Irgendwann waren wird dann tatsächlich drin und konnten das Taj Mahal im Sonnenuntergang bewundern - ein würdiger Abschluss für unsere Reise.

Das Taj Mahal kurz vor dem Sonnenuntergang

In der Nacht ging es dann noch nach Dehli zum Flughafen. Unser Schlaf wurde unsanft unterbrochen, als unser Mietwagen von einem LKW an einer Straßenverengung mitgeschleift wurden. Tür und Scheibe im Eimer... nichts was unseren Fahrer davon abhalten konnte weiterzufahren, es wurde nur etwas kalt und windig im Auto. Am Flughafen war dann auch nicht mehr wirklich an Schlafen zu denken. Der ausgeschriebene Ruheraum existierte nur in der Form eines völlig überteuerten Flughafenhotels. Der Flug zurück war jedoch recht angenehm und ich hatte sehr nette einheimische Nachbarn, die mich mit allerlei indischen Snacks versorgt haben.

Und hier zusammengefasst die wichtigsten Überlebensregeln in Indien präsentiert von Sebastian. :-)
Für alle nicht dem Englisch mächtigen folgt eine grobe Übersetzung.

Einige wichtige Regeln gegen Durchfall:
So viele Bananen essen wie du kannst.
Zweimal am Tag frischen Joghurt oder Quark.
Zweimal am Tag Mineralwasser mit Zitronensaft.
Vermeide Essen von billigen Restaurants.

Alles in allem eine sehr schöne und interessante Reise, die mir Indien von einer ganz anderen Seite gezeigt hat. Viel Sehenswertes mussten wir leider in der Kürze der Zeit auslassen, vielleicht ist ja irgendwann noch einmal Zeit für eine Reise nach Rajasthan.

Monday, November 13, 2006

Jaipur

Jaipur mit der Burg im Hintergrund

Jaipur mit dem Stadtpalast in der Mitte

Nachdem wir die Tage zuvor jede Menge gewaltige Paläste und Burgen bestaunen konnten, erschien Jaipur im Vergleich recht unspektakulär. Die Stadt war dann aber doch recht interessant, spiegelt sie doch das Leben in einer typischen indischen Großstadt wieder.

Häuser bis zum Horizont

Für Frauen ist Jaipur ein echtes Einkaufsparadies. Die Einkaufsstraßen werden zu 90% von Schuh-, Schmuck- und Modeläden besiedelt. 50% gehen alleine auf das Konto der Schuhläden. Und es gibt jede Menge richtig schicke Schuhe und Sandalen, zudem nicht mal teuer. Für den Preis, den Frau in deutschen Lande für ein paar schöne Schuhe ausgibt, kann sie in Jaipur gleich den ganzen Jahreseinkauf bestreiten. (Angabe bezieht sich auf Frauen mit normalen Schuhkonsum im unteren zweistelligen Bereich pro Jahr. ;-)



Müll fressende Kühe sieht man überall in Indien. Die Tiere sind dabei so dämlich, dass sie die Plastiktüten fressen und daran jämmerlich zugrunde gehen. Kühe sind hier zwar heilig, aber auf die Idee, mal den Müll wegzuräumen, damit die Kühe ihn nicht fressen und davon sterben, auf die Idee kommt hier nur sehr selten jemand.


Inder können immer und überall schlafen.

Eine Bekannte von Disha verschaffte uns dann noch ein echtes Highlight - authentisches Dorfspektakel mit Gauklern, Tänzern, Bogen Schießen, ein von Hand betriebenes Riesenrad und Elefantenreiten. Dazu gab es klassisches Rajesthanisches Essen soviel man verdrücken konnte. Was würde ich dafür geben, wenn unser Kantinenessen auch nur halb so gut schmecken würde. Luftgewehrschießen war auch sehr spannend. Am Anfang habe ich mich gewundert, warum ich immer mal wieder total daneben schieße. Wie ich dann später rausfinden durfte, gab es einen Grund, warum der Betreiber die Knicker stets selbst aufziehen und laden wollte. Er packte einfach immer mal wieder keine Munition rein. Bezahlen sollte man natürlich trotzdem jeden Schuss.


Wie immer können alle Photos mittels Draufklicken im Grossformat angesehen werden.
Im nächsten Artikel geht es dann nach Agra und das Taj Mahal.
Bis dahin, Rick

Wednesday, November 08, 2006

Jaisalmer - Die Wüstenstadt


Jaisalmer liegt mitten in der Wüste nicht weit von der Pakistanischen Grenze. Der nächste Ort ist ca. 100 km entfernt. Ursprünglich wollten wir eine kurze Kamel-Safari in die Wüste unternehmen. In Jaisalmer blieben uns aber nur fünf Stunden. Mal kurz mit dem Kamel aus dem Stadttor raus und gleich wieder zurück erschien uns dann doch nicht so spektakulär, sodass wir uns nur ein wenig die Stadt und die Festung angeschaut haben. Für eine wirklich eindrucksvolle Kameltour durch die Wüste sollte man schon ein paar Tage einplanen.


Besonders eindrucksvoll sind die sogenannten Havelis. Das sind die extravaganten Behausungen reicher Kaufleute aus dem 18. und 19. Jahrhundert, welche mit filigran geschnitzten Fassaden aus Sandstein verziert sind.



Im nachfolgenden Cafe haben wir noch schnell gegessen, bevor es weiter nach Jaipur ging.


Die von dort mitgenommenen, frisch gemachten Sandwiches haben uns dann leider später während der Zugfahrt wieder unangenehm deutlich spüren lassen, dass wir in Indien sind und "leichte" Übelkeit machte sich breit. Gute indische Medizin hat dann aber auch alles Schlimmere verhindert, die gehört inzwischen zur Grundaustattung in meinem Reisegepäck.


Bis dahin, Rick

Monday, November 06, 2006

Jodhpur - die blaue Stadt

Nächstes Ziel unserer Reise war Jodhpur. Die Farbe der Häuser in Jodhpur war in der Vergangenheit abhängig von der Zugehörigkeit zu einer entsprechenden Kaste. Die höchste Kaste, die Brahmanen (Priester), hatten das Privileg, ihre Häuser blau zu streichen. Das Privileg ist inzwischen gefallen und Jodphur erstrahlt in weiten Teilen blau.

Blick von der Burg auf eine Stadtteil von Jodhpur

Von Jodhpur aus herrschte der letzte Maharaja Umaid Singh bis zur Unabhängigkeit von Indien. Sein riesiger Palast wurde 1944 fertig gestellt und zählt zu den größten und imposantesten königlichen Bauten Asiens. Über 3000 Menschen haben daran für 16 Jahre gearbeitet - europäische Königshäuser erscheinen richtig arm dagegen. Der Palast enthält ein eigenes Kino, einen riesigen Swimming-Pool im Haus und 347 Räume. Heute wird der Palast vornehmlich als Luxus-Hotel genutzt.

Umaid Bhawan Palast

Über der Stadt thront die Meherangarh Burg und zeugt von der kriegerischen Vergangenheit der Rajput-Stämme. Die ganze Burg ist heute ein Museum und bedient sich modernster Technik, um Touristen in allen Sprachen durch die Vergangenheit zu geleiten. Spezielle MP3-Player mit Texten über alles Wissenswerte über die Burg und eine nummerierte Route durch das Gelände lassen einen dort mehrere Stunden verbringen, ohne Langeweile aufkommen zu lassen.

Warten auf unser Frühstück, im Hintergrund die Meherangarh Burg


Musikanten nahe der Burg

Der zweite Tag gehörte dann einem Ausflug mit dem Jeep auf's Land. Wir haben gesehen, wie die Menschen hier auf dem Land leben und arbeiten, ein traditionelles Marihuana-Getränk zur Stärkung der Landarbeiter verkostet - furchtbar bitter - und uns angeschaut wie hier getöpfert wird und Teppiche geknüpft werden.

Vorbereitung des traditionellen Marihuana-Getränks

Eigentlich sollten wir noch Tiger in freier Wildbahn bewundern können. Aber die sind den ganzen Medienrummel vermutlich leid und haben sich verdrückt. In der Steppe gab es weit und breit nichts als Sträucher, Sand und ein paar Antilopen. Zum Abschluss des Landausflugs erhielten wir ein klassisches rajasthanisches Abendessen aus Sangri-Blättern (nein, nicht Sangria), speziellem Fladenbrot aus einem einheimischen Korn, einem sehr gut schmeckende vegetarischen Chilli, von dem ich bis heute nichts über die Zusammensetzung weiß, und Süßigkeiten hergestellt aus Zuckerrohr.

Abendmahl im Dorf

Am nächsten Morgen ging es weiter nach Jaisalmer nahe der Pakistanischen Grenze. Davon berichte ich im nächten Artikel. Bis dahin viele Grüße, Rick

Friday, November 03, 2006

Udaiphur - Die Stadt der Seen

Der erste Stopp auf unserer Reise war Udaiphur. Von Bombay aus ging es mit dem Zug nach Ahmehabad und von dort weiter mit dem Schlafbus nach Udaiphur. In Rajasthan sind die Straßen in ziemlich guten Zustand, sodass ich tatsächlich ohne Unterbrechung schlafen konnte. Angekommen in den frühen Morgenstunden sind wir erst einmal in der French Bakery gelandet, das einzige Restaurant, was so zeitig geöffnet war. Frühstück war erstaunlich gut und sehr westlich. Man merkt gleich, dass man hier in einer Touristenhochburg ist. Alles wirkt auch viel sauberer, als man es von Pune gewohnt ist. Vom westlichen Standard ist allerdings auch Rajastahn noch weit entfernt.

Im Schlafbus

Mit zwei Rickshas ging es dann auf zur Tagestour in und um Udaiphur - Museen, Monumente, Burg auf dem Berg, Palast, Kunstwerkstätten und diverse Shops, an denen wir abgeladen wurden. Die Ricksha-Fahrer bekommen Geld dafür von den Shop-Betreibern. Frits und ich hatten die lahmste Ricksha erwischt, die uns je untergekommen ist. Die andern mussten entsprechend oft auf uns warten. Bergauf musste ich einmal sogar schieben, sonst wären wir rückwärts wieder runter gerollt. Dafür war es spottbillig. Eine Ricksha mit Fahrer kostete uns für die ganze Tagestour ca. 300 Rs, das sind 6 Euro.

Seehotel in Udaiphur (Anklicken für Großansich)

Nach unserer Tour sind wird dann noch mit zwei Tretbooten über den See geschippert. Das artete allerdings in Arbeit aus, da das Bot, was Sebastian und ich erwischt hatten, seit seiner Herstellung nie wieder einen Tropfen Öl gesehen hat. Während uns die anderen mit Leichtigkeit davon fuhren und wir mit dem Quietschen unseres Tretboots Aufsehen erregten, sahen wir beide hinterher aus, als hätten wir geduscht.

Marc, Amandine, ich und Sebastian in Udaiphur

Das Highlight war dann noch das Anschauen von James Bond Octopussy auf der Dachterrasse bei einem kühlen Radler. Teile der Aufnahmen wurden in Udaiphur gedreht und jedes zweite Restaurant führt diesen Film jeden - ja, wirklich jeden - Abend auf. Spät in der Nacht ging es dann mit dem nächsten Schlafbus weiter nach Jodphur.

Udaipur bei Nacht (Anklicken für Großansicht)

Heute Abend steht erstmal die Abschiedsfeier von meiner Mitbewohnerin Anke an, der Abend wird also lang. Übers Wochenende finde ich hoffentlich genug Zeit, den gesamten Reisebericht fertigzustellen.

Viele Grüße und ein schönes Wochenende,
Rick